Mit Harald Siemen

GaloppOnline.de: Der Generalausgleich wird in den nächsten Tagen erneut angehoben. Warum geschieht das?

Harald Siemen: Es ist das zweite Mal nach 1998 und hoffentlich für eine längere Zeit das letzte Mal. Durch den Beitritt zur International Classification sind die Gewichte der Spitzenpferde kontinuierlich nach unten gegangen. Die Zeiten, als Pferde wie Acatenango oder Orofino ein GAG von 110 und 105 Kilo bekommen haben, sind vorbei. Dieses hat sich in den mittleren und unteren Bereich fortgesetzt.

GaloppOnline.de: Inzwischen starten sogar deutsche Pferde in ausländischen Handicaps. Gibt es Vergleichsmöglichkeiten?

Harald Siemen: Der Vergleich ist natürlich deutlich besser geworden. Auffallend ist, dass die meisten Pferde, die in beiden Ländern eine Handicapmarke haben, bei uns günstiger stehen. Auch da findet eine weitgehende Angleichung statt.

GaloppOnline.de: Auf den ersten Blick ist die Anhebung der Gewichte doch ein Nachteil für die Besitzer. Die Pferde stehen plötzlich ungünstiger.

Harald Siemen: Bei allen Pferden wird das Gewicht angehoben, die Relation bleibt also gewahrt. Viele Ausgleich III-Pferde sind besser als man denkt, der Unterschied zur besseren Klasse ist nicht so hoch, wie es die Kilos ausdrücken. Die Pferde, die in den Ausgleich II gehören, stehen dort jetzt auch.

GaloppOnline.de: Die Trainer müssen umdenken.

Harald Siemen: Über Nacht wird aus einem Ausgleich IV- manchmal ein Ausgleich III-Pferd. Das gilt es zu berücksichtigen. Allerdings werden so die Verdienstmöglichkeiten auch besser. Und die Rennvereine, die Mühe hatten, ein besseres Handicap zu besetzen, werden da jetzt keine so großen Schwierigkeiten mehr haben. Es ist schon ein Regulativ in die richtige Richtung. Sicher mag es Pferde geben, die an den Schnittstellen der Handicaps jetzt geringfügig ungünstiger stehen, doch gleicht sich das bald aus.

GaloppOnline.de: Es ist ja schon auffallend, dass gerade in diesen Wochen die Handicaps mit den höchsten Plusskalen die quantitativ beste Besetzung haben.

Harald Siemen: Unsere niedrigste Marke ist 40. Es gibt Pferde, die stehen noch darunter. Und die laufen teilweise jetzt nicht mehr gegen ihr Handicap.

GaloppOnline.de: Auf der Sandbahn gewinnen in diesen Tagen oft Pferde mit überdurchschnittlich großem Vorsprung. Ist es fair, sie mit erheblichem Aufgewicht zu belasten?

Harald Siemen: Die Abstände auf Sand werden im Vergleich zu denen auf Gras in der Regel halbiert. Außerdem lehrt die Erfahrung, dass es eine Menge Spezialisten gibt, die trotz Aufgewicht oft zwei, drei Rennen in Folge gewinnen. Kritik an den Aufgewichten auf Sand kann ich nicht so recht nachvollziehen.

GaloppOnline.de: Das deutsche Rennsystem ist ausgesprochen handicap-lastig. Die Zahl der Altersgewichtsrennen geht zurück, „Reclamers“, also Verkaufsrennen, wie in Frankreich, spielen bei uns keine große Rolle. Das Geld wird also in erster Linie in Ausgleichen verdient. Ist die deutsche Art zu handicappen im Vergleich zum Ausland gerecht?

Harald Siemen: In der Tat gibt es kaum ein anderes Rennsportland, das so viele Handicap-Rennen kennt wie Deutschland. Einmal abgesehen von Ländern wie Hong Kong. Das liegt natürlich auch daran, dass die Zahl der Pferde im Training zurückgeht. Verkaufsrennen werden so kaum angenommen. Unser Credo ist, das erfolgreiche Pferd zu belasten, das erfolglose Pferd dagegen zu entlasten, um jedem eine Chance zu geben.

Die Regeln variieren von Land zu Land und es mag Gründe geben, warum in Frankreich die Aufgewichte nicht so hoch sind. Dafür gibt es auch nicht so schnell einen Nachlass. Wir gehen relativ schnell mit dem Gewicht herunter. Sicherlich ist an uns auch schon der Wunsch herangetragen worden, dass ein Pferd nach vier Starts wieder bei seiner Siegmarke steht, doch das kann ich nicht nachvollziehen.

Wenn das Gleichgewicht gestört wird, dann gerät das ganze System ins Wanken, und wir haben nachher nur noch Ausgleich IV-Pferde. Rein rechnerisch geht es im übrigen gar nicht, dass jedes deutsche Pferd ein Handicap gewinnt. Wem dies gelingt, der steht faktisch auf der „Gewinnerseite“. Finanziell ist das natürlich eine andere Sache. Die Geldpreise können die Handicapper leider nicht anheben.

GaloppOnline.de: Ein Handicap IV in Baden-Baden und ein Handicap IV in Halle ist auf dem Papier sicher identisch. Aber es gibt einen erheblichen finanziellen Unterschied. Wäre es nicht eine Überlegung wert, einen Sieger in einem besser dotierten Handicap mehr zu belasten als den Sieger in einem ähnlichen Rennen, in dem es vielleicht nicht einmal die Hälfte davon gibt?

Harald Siemen: Vom Prinzip her hat jedes Pferd seine Marke. Natürlich muss man schon berücksichtigen, wenn ein Pferd formstarke oder formschwache Pferde geschlagen hat. Es kommt im übrigen jetzt auch häufiger vor, dass wir auch dem Zweitplatzierten ein geringfügiges Aufgewicht geben. Wenn ein Richterspruch, etwa in Baden-Baden, sicher Hals – fünf Längen lautet und 15 Pferde gelaufen sind, könnte der Zweite ein kleines Aufgewicht bekommen. In England wird so etwas häufiger gemacht. Da gibt es teilweise Aufgewichte bis zum vierten Platz.

GaloppOnline.de: In der Kritik stehen häufig die Gewichte für dreijährige Pferde.

Harald Siemen: Es wird manchmal gesagt, dass wir sie gerade im Frühjahr zu hoch einstufen. Sicherlich wird es in dieser Jahreszeit kaum vorkommen, dass man ein Rennen gewinnt und eine Marke von unter 70 Kilo bekommt. Wir behandeln einen Dreijährigen auch längst nicht so hoch wie in Italien. Pferde, die da nach vorne laufen, sind doch meist bessere Pferde, stellt sich heraus, dass sie es nicht sind, wird das korrigiert. Und Tatsache ist, dass bei uns die Dreijährigen im Handicap meist gut zurecht kommen.

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