Er besiegte den Frankel-Bruder

Als man ihn, nachdem er Ende Oktober in Köln seinen letzten Starter auf der Heimatbahn gesattelt hatte, nach seinem schönsten Erlebnis als Trainer befragte, nannte Andreas Löwe nach kurzer Überlegung den Erfolg von Lucky Lion im Großen Dallmayr-Preis 2014 in München. Es dürften dabei sicherlich auch einige Emotionen gegenüber seinem langjährigen Besitzer Gerd Mosca mit im Spiel gewesen sein, doch in der Tat war dieser Gruppe I-Sieg im Sommer vor zwei Jahren gegen den für nahezu unschlagbar gehaltenen Frankel-Vollbruder Noble Mission ein nicht hoch genug zu bewertender Triumph. Es war der Höhepunkt in der Rennlaufbahn von Lucky Lion, der als Mehl-Mülhens-Sieger zu klassischen Ehren gekommen war und im Deutschen Derby nur die Überlegenheit von Sea The Moon anerkennen musste. Im kommenden Jahr wird der von Hans-Dieter Lindemeyer gezogene, über die BBAG-Jährlingsauktion für 80.000 Euro in den Besitz des Gestüts Winterhauch gewechselte Lucky Lion im Gestüt Graditz seine Beschälerlaufbahn beginnen. An der Seite des dort 2016 als Stallion gestarteten Arrigo.

Löwes Meisterleistung
Dass Lucky Lion bei seinem ehemaligen Betreuer Andreas Löwe eine solch hohe Wertschätzung genießt, mag auch daran liegen, dass dem scheidenden Weidenpescher Coach mit dem High Chaparral-Sohn womöglich seine Meisterleistung als Trainer gelang. Gerade von weit über dem Durchschnitt stehenden Pferden hört man oft, dass sie fast schon spielerisch zu händeln seien und als völlig problemlose Charaktäre beschrieben werden. Das war bei Lucky Lion ganz anders. Der Hengst hatte seinen eigenen Kopf, wenngleich er sein großes Talent parallel dazu aber auch früh offenbarte. Doch es gab für Andreas Löwe und sein Team viel zu tun, und in Alexander Weis fand Lucky Lion in der Morgenarbeit auch seinen Meister. Der gebürtige Russe saß auch im Sattel, als der High Chaparral-Sohn früh im Jahr als Dreijähriger in Krefeld überlegen gewann und dieses Paar dann auch wenige Wochen später im Dr. Busch-Memorial gegen Nordico und Andoyas zum Zuge kam und damit erstes Gruppe-Lorbeer gewann.

Aufstieg zum Classic Horse
Der Franzose Ioritz Mendizabal war im Kölner Mehl-Mülhens-Rennen – German 2000 Guineas der Partner von Lucky Lion, der nach einem frühen Vorstoß überhaupt keine Mühe, die beiden Sauren-Pferde Nordico und Stillman auf Distanz zu halten und somit zum klassischen Sieger aufzusteigen. Es war Mitte Mai bereits der dritte Gruppe-Erfolg von Andreas Löwe 2014, allesamt für das Gestüt Winterhauch. Da man neben Lucky Lion mit Rapido einen weiteren hochveranlagten Winterhauch-Dreijährigen im Stall hatte, ließ Lucky Lion die Kölner Union aus. Rapido stieg in der wichtigsten Derby-Vorprüfung zum Derby-Mitfavoriten auf, denn der Löwe-Schützling musste lediglich dem bis auf 17:10 heruntergewetteten Sea The Moon den Vortritt lassen. Leider  sollte es der letzte Start von Rapido gewesen sein. Ins Deutsche Derby ging mit der Startnummer eins nach rechnerischer Grundlage nicht wie vielleicht allgemein erwartet Sea The Moon, sondern Lucky Lion. Hinter seinem Stehvermögen stand noch ein Fragezeichen, denn weiter als die 1700 Meter im Dr. Busch-Memorial war der Löwe-Schützling noch nicht gegangen. Hingegen gab es an Sea The Moons Stehvermögen keine Zweifel, und der Görlsdorfer stand dann am sonnenüberfluteten erster Juli-Sohn in Hamburg auch über der Konkurrenz. Der von Markus Klug trainierte Sea The Stars-Sohn gewann unter Christophe Soumillon mit sage und schreibe elf Längen Vorsprung gegen Lucky Lion. Solch eine Überlegenheit hatte man in dieser Form seit dem Zwölfeinhalb-Längen-Sieg von Orofino von 1981 nicht mehr gesehen. Sea The Moon erhielt zu Recht die hohe GAG-Einstufung von 102 Kilo. Lucky Lion offenbarte hinter einem nicht nicht zu schlagenden Gegner, dass ihm die 2400 Meter doch eine Ecke zu weit waren.

Mission Impossible?
So dachte man jedenfalls, als die Teilnehmer Ende Juli für den Großen Dallmayr-Preis auf die 2000-Meter-Reise gingen. Denn im Feld dieser Gruppe I-Prüfung war mit dem aus Newmarket angereisten Noble Mission ein Pferd, das 2014 bereits zwei Gruppe-III-Rennen in Chester und Sandown gewonnen hatte und im Tattersalls Gold Cup in Irland zum Gruppe I-Sieger aufgestiegen war. Den Grand Prix de Saint-Cloud hatte Noble Mission, der von Lady Jane Cecil, Witwe des 2013 verstorbenen englischen Jahrhunderttrainers Sir Henry Cecil, trainiert wurde, ganz knapp verloren. Doch später wurde ihm der Sieg zuerkannt, da der ursprüngliche Gewinner mit einem unerlaubten Mittel am Start gewesen war. So wunderte es natürlich nicht, dass Noble Mission, zumal ein rechter Bruder von Frankel, im Münchener Saisonhöhepunkt für nahezu unschlagbar gehalten wurde. Doch Lucky Lion gelang die Sensation. Wieder mit Ioritz Mendizabal im Sattel schlug der High Chaparral-Sohn solch ein Kaliber wie Noble Mission. Es darf als wahre Heldentat bezeichnet werden, wie der Löwe-Schützling den Gast aus England am Ende in die Knie zwang. Der in Riem unterlegene Noble Mission wertete Lucky Lions Siegform im Herbst gründlich auf, denn er siegte am großen Ascot-Renntag in den zur Gruppe I zählenden Champion Stakes. Mit dem Erfolg hatte Lucky Lion alles erreicht: Klassischer Sieger und Gruppe I-Triumphator. Insgesamt absolvierte  Lucky Lion siebzehn Starts, fünf Mal kehrte er als Sieger zurück. Seine Gesamtgewinnsumme beträgt 424.900 Euro. Sein höchster GAG betrug 99 Kilo.

Sadler’s Wells-Enkel
Der von Hans-Dieter Lindemeyers züchterischem Unternehmen Stall Parthenaue gezogene Lucky Lion ist über Sadler’s Wells und High Chaparral ein Vertreter der Northern Dancer-Hengstlinie. Ohne Frage ist High Chaparral einer der besten Söhne von Sadler’s Wells. Zu seinen sechs Gruppe I-Erfolgen zählen das Epsom Derby und das irischen Pendant. Zudem siegte er zweimal im Breeders‘ Cup. Auch als Stallion machte High Chaparral seinen Weg. So You Think gilt als sein bester Nachkomme, denn er gewann an die umgerechnet 6 Millionen Euro. Dieser ist aber bei Weitem nicht der Einzige, der als High Chaparral-Nachkomme auf eine siebenstelligen Gewinnsumme kommt. Lucky Lions Mutter ist die Listensiegerin und auf   Gruppe-Ebene platzierte Lips Arrow. Ihre von Mamool stammende Halbschwester Lips Poison stieg in den German 1000 Guineas zur klassischen Siegerin auf.

Erster großer Gestütsauftritt
Bevor Lucky Lion zu Beginn der Saison 2017 im Gestüt seine Aufgaben zu erledigen hat, konnte er sich beim zweiten Graditzer Züchtermeeting rund 160 Gästen, die die beiden Betreiber der privaten Graditzer Vollblutzucht, Matthias Schneider und Matthias Tandler, begrüßten, präsentieren. Interessierte aus vielen Teilen unseres Landes sowie aus Österreich, der Schweiz und aus Tschechien waren dieser Einladung gefolgt. Nun hofft man in Graditz natürlich, dass auch die Resonanz der Züchter, die für Lucky Lion als Partner ihrer Stute auserkoren haben, im ersten Gestütsjahr entsprechend groß sein wird.

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