Die Stimme des Ostens auf Abschiedstour

Kult. Dieses Wort wird in der heutigen Zeit sehr schnell, fast schon etwas inflationär, verwendet. Doch auf Hartmut Faust trifft es ohne Zweifel zu. Als „Stimme des Ostens“ ist der 65-Jährige seit 1976 am Mikrofon des Rennkommentators tätig, anfangs in Hoppegarten, später auf allen Bahnen in Ostdeutschland. Das, was Manfred Chapman in der Bundesrepublik war, war Faust in der DDR. Doch mit der Wiedervereinigung fräste sich die markante Stimme des Werder Bremen-Fans auch in die Gehörgänge der Turf-Fans in den „alten Bundesländern“ ein. Allzu oft wird man jedoch als Rennbahnbesucher nicht mehr die Gelegenheit haben, einen seiner Rennkommentare live zu erleben. Denn der im Osten der Republik auch als Handicapper tätige Rennkommentator wird das Mikrofon zum Saisonende an den vielzitierten Nagel hängen. „Es sind hauptsächlich gesundheitliche Gründe, die mich zu diesem Schritt bewogen haben. Ich sehe einfach nicht mehr so gut, und 41 Jahre sind auch genug“, so Faust, der die Rennvereine, für die er kommentiert hat, zum Jahresbeginn über seine Entscheidung informierte. „In Magdeburg werde ich am 31. Oktober zum letzten Mal kommentieren, in Dresden geht es bis zum 22. November, dem Buß-und Bettag, das wird das letzte Mal sein, dass ich kommentiere. Die Service-Ansagen in Bad Doberan, die ich bislang immer gemacht habe, werde ich, wenn es gewünscht wird, aber weiter gerne machen.“

Kommentator-Karriere unverhofft
Über 10.000 Rennen hat Faust in seinem Leben kommentiert, obwohl es, wenn man es genau nimmt, etwas weniger wären, denn zu DDR-Zeiten durfte  – das ist kein Witz – nur bis eingangs zur Zielgeraden kommentiert werden. „Das war so, damit nicht noch die Wetten geschrieben werden konnten. Erst nach der Wende, mit der Einführung des Elektronen-Totos, änderte sich das“, erinnert sich Faust an frühere Zeiten. Geplant hatte der Vater zweier Töchter seine Kommentatoren-Tätigkeit dabei nicht. „Ich war gelernter Facharbeiter für Datenvereinbarung, dort aber im Vierfach-Schichtdienst tätig, was für mich aus gesundheitlichen Gründen nicht gut war. So habe ich mich nach etwas anderem umgesehen, auch wenn die Bezahlung sehr gut war, denn die Gesundheit ging vor. Über Jens Sorge, bei dem ich mal versucht hatte, das Reiten zu lernen, kam ich 1975 nach Hoppegarten, wo ich als Sachbearbeiter im Bereich Renntechnik tätig war. Ich war da sozusagen Mädchen für alles, für das Rennprogramm, die Eintrittskarten und so weiter verantwortlich. Der damalige Rennkommentator hieß Dr. Hahn und war der Schwiegersohn des Trainers Willy Frommann. Als dieser im November 1975 verstarb, beendete Dr. Hahn seine Kommentatorentätigkeit, da er keinen Bezug mehr zum Rennsport hatte. Der damals in Hoppegarten Verantwortliche Direktor Robert Rudolf sprach mich daraufhin an und fragte mich, ob ich mir vorstellen könne bzw. zutrauen würde, den Rennkommentar zu machen. Ich habe zugesagt. Geübt habe ich mit einem Tonband“, erzählt Hartmut Faust, wie er zum Job des Rennkommentators kam. Rund 5.250 Rennen sind es, die er auf „seiner“ Bahn in Hoppegarten kommentiert hat, in Dresden, wo er seit 1991 das Mikrofon hält, rund 1.700, in Magdeburg von 1993 an 1.200, in Leipzig von 1994 an ca. 1.000 und in Halle seit 1994 rund 700.

Auch die Diana kommentiert
Doch nicht nur in Ostdeutschland hat sich Faust als Rennkommentator einen Namen gemacht, auch im Westen hat der 65-Jährige auf mehreren Bahnen Rennen kommentiert, was ihn auch durchaus stolz macht. In Hamburg sprang er im Jahr 2002 bei der Derbywoche spontan für den erkrankten Manfred Chapman ein. In Düsseldorf kommentierte er 2012 auch den Preis der Diana, das Deutsche Stuten-Derby. Gelsenkirchen, Bremen, Hannover und Warendorf waren die weiteren Westbahnen, auf denen Hartmut Faust mit seinem Kommentar die Rennsportfreunde in seinen Bann zog.  Doch damit ist Ende des Jahres Schluss. Macht es den scheidenden Rennkommentator wehmütig, wenn er an den 22. November in Dresden denkt? „Nein, 41 Jahre sind genug, irgendwann muss man ja aufhören. Ich freue mich dann auch darauf, auch einmal Zeit für andere Dinge zu haben, zu denen ich in der Vergangenheit aufgrund meiner Tätigkeit nicht so häufig gekommen bin. Zum Beispiel, mich mit meinen Freunden Florian Martens oder Klaus Allofs ausgiebig zu unterhalten, wenn sie auf der Bahn sind. Und man muss auch sagen, die Jüngeren machen einen guten Job. Das Wechseln zwischen Fernglas und Monitor, das haben die gut drauf“, sagt Faust, der einst mit seinem West-Kollegen Manfred Chapman, mit dem er stets ein ausgezeichnetes Verhältnis hatte („wir halten über e-mail immer noch Kontakt“) sogar ein Rennkommentatoren-Casting startete. „Zwanzig Leute haben sich damals beworben. Fünf von ihnen haben wir dann am Renntag getestet, aber es war kein Talent darunter. Gunter Barth, der jetzt die Rennen kommentiert, war damals nicht dabei“, erklärt Faust, der aus den über 40 Jahren seiner Tätigkeit natürlich auch die ein oder andere Anekdote zu erzählen weiß. „Die Geschichte, dass ich in Hoppegarten vor einem Rennen einen alten Freund traf und mich mit ihm so lange festgequatscht habe, bis das Rennen gestartet war, habe ich bestimmt schon über einhundert Mal erzählt. Da habe ich – natürlich mit Recht – einen dicken Anschiss bekommen.Meine große Angst war immer, zu spät zur Rennbahn zu kommen, was mir leider auch mal passiert ist. Heutzutage ist das mit den Handys ja nicht mehr ganz so schlimm, da kann man rechtzeitig Bescheid sagen.“

Seit 1982 auch Handicapper
In Hoppegarten hat Faust nicht nur die meisten Rennen kommentiert, die Parkbahn unweit der Hauptstadt bezeichnet er auch als seine Lieblingsbahn. „Zum Arbeiten war Hoppegarten wirklich ein Traum. Artur Boelke und Kurt Becker haben mir damals eine Kanzel gebaut, die wirklich perfekt war und beste Arbeitsbedingungen garantierte. Man hat einen tollen Blick und die Kabine war schalldicht, sodass man nicht durch die Geräusche des Publikums abgelenkt wird.“ Dass er dem Rennsport verloren geht, muss niemand befürchten, denn seinen Job als Handicapper, in dem er seit 1992 zunächst für Magdeburg, später für den gesamten Osten – zusätzlich mit einem kurzen Intermezzo für München –  tätig ist, wird er weiterhin ausführen. Und auch wenn er selbst angibt, an dem Tag, an dem er sein letztes Rennen kommentiert, nicht wehmütig zu werden, so wird es mancher Turffreund, den „die Stimme des Ostens“ über vier Jahrzehnte begleitet hat, nach dem letzten Rennen der Dresdener Veranstaltung am 22. November ganz sicher sein.

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