
Es ist ein Club, der gar nicht existiert. Er ist fiktiv, wird „Club 1000“ genannt. Doch jeder, der mit Vollblütern aktiv zu tun hat, möchte ihm beitreten, Mitglied werden. Vielen wird dies ein Leben lang nicht gelingen, denn als Trainer und Reiter muss man auf 1000 Erfolge kommen. Am letzten Sonntag ging für Andre Best die Tür in diesem „elitären Club“ auf, kurz nach 17 Uhr hatte sich für den 43-Jährigen ein Lebenstraum erfüllt. Mit der von Dr. Andreas Bolte trainierten La Padrona ritt er seinen 1000. Sieger, 23 Jahre, nachdem er mit Night for Dancers in Frankfurt sein erstes Rennen gewonnen hatte. „Selbst Dr. Tasch wunderte sich am Sonntag. Nicht, dass er mir dies nicht zugetraut habe, aber irgendwie war er überrascht, dass ich nun auf 1000 Siege komme. Ich kann dies irgendwie nachvollziehen, denn ein Punktesammler im Stile wie die anderen Jockeys des „Club 1000“ bin ich ja auch wirklich nicht. Bei mir ist eher die Eichhörnchen-Taktik aufgegangen. Das wird es sein, dass mich die Meisten für 1000 Siege nicht auf dem Sender haben.“ Der Mann ist nicht nur aus dieser Perspektive gesehen ein kleines Rätsel. Nie und nimmer kommt man auf die Einschätzung, dass Andre Best vor wenigen Tagen sein 43. Lebensjahr vollendet hat. Mindestens 15 Jahre jünger wird man ihn schätzen. Wo sind die Spuren vom ständigen „Gewichte halten“, strapaziösem Reiten in der Morgenarbeit, Tausenden von Kilometern im hohen fünfstelligen Bereich, die er Jahr für Jahr im Auto zurücklegt? Womöglich liegt es auch an seiner Lebenseinstellung: „Fit for Fun“. 1970 in Essen, als der „Pott“ noch der klassische Luftverschmutzer und die „Malocherecke“ der Nation war, wurde Andre Best geboren. Später zogen seine Eltern nach Köln, sportlich interessiert, schaute er sich Sonntags die „Sportschau“ im Fernsehen an. Er sah die „Wahl zum Galopper des Jahres“, blickte auf seinen schmächtigen, aber sportlich fitten Körper und bewarb sich um eine Lehrstelle als Jockey. Bei Bruno Schütz begann er schließlich die Ausbildung zum Pferdewirt. Im September 1990, nach langem Warten auf seine ersten Ritte überhaupt, war in Frankfurt der erste Treffer fällig. Sein Talent blieb nicht im Verborgenen, und obschon zu diesem Zeitpunkt die Zahl der Topjockeys enorm groß war, rückte Andre Best rasch weit nach oben vor. „Im Grunde kam für mich der Erfolg zu früh“, schätzt er später seine Entwicklung ein. So war bereits 1993 eine Saison fällig, die er heute als schicksalshaft bezeichnet. Er war auf dem Weg nach ganz oben, als es genauso schnell wieder bergab ging. Andre Best war bei Bruno Schütz zweiter Mann hinter Stalljockey Mark Rimmer, der sich im Frühjahr 1993 für Tropical King in einem Gruppe-Rennen in Frankfurt entschied, er somit den Ritt auf Kornado im Dr. Busch-Memorial bekam. Andre Best erinnert sich natürlich: „Es war damals ein Listenrennen, wir gewannen und Kornados Besitzer meinte später, dass ich nun auch weiterhin auf Kornado sitzen solle. Wir gewannen das Mehl-Mülhens-Rennen und die Union. Im Derby blieb Kornado unter Form, Lando siegte vor Monsun. Ich war der Buhmann, es gab einen entscheidenden Knick in meiner Karriere.“ Für das Schütz-Quartier gab es 1993 dennoch einen großen Treffer, als er mit Pinot das Deutsche St. Leger gewann. Das Weidenpescher Quartier aber verließ er, wechselte in den großen Diana-Stall von Uwe Ostmann nach Mülheim an der Ruhr. Es folgten Engagements zum Beispiel bei Horst Steinmetz, wo er mit Personal Love und Alte Kunst mehrere Listen-Rennen gewann. Es ging weiter im Rennsport-Zirkus: Andreas Löwe, Hans-Albert Blume in Röttgen, Peter Schiergen im Weidenpescher Park waren weitere Stationen. Eine Art von Orientierungslosigkeit? Nein, An- dre Best winkt ab: „Man muss es anders betrachten. Ich war fast überall stets zweiter Jockey. Die Möglichkeit, in München oder im Osten erste Positionen zu besetzen, hatte ich, wollte dies aber nicht. Also war ständig Bewegung in meinem Leben, ich musste immer wieder neue Herausforderungen suchen. Es gab auch Enttäuschungen, man versprach mir mehr, als man später einhielt.“ Schließlich gab es auch genug zu reiten. „Ich hatte in den besten Jahren über 600 Ritte im Jahr. Und Rennen hab ich ja nun auch gewonnen, sonst wären die 1000 Siege nicht zustande gekommen“, fasst es Andre Best zusammen. In Ostwestfalen fand er nach den Wanderjahren ein nues, nun längerfristiger Zuhause. Zehn Jahr blieb er bei Peter Rau und anschließend bei Torsten Mundry. Aber dennoch war er darauf angewiesen, sein Management selbst zu gestalten. „Die Renntage wurden weniger, die Ritte folgerichtig auch. „Hatte ich mir früher rund 50 Siege zum Ziel einer Saison gesetzt, so sind es jetzt 30 bis 35“, so seine Kalkulation. Vor drei Jahren war es dann auch in Ostwestfalen zu Ende, im Krefelder Stadtwald bei Mario Hofer sitzt er nun jeden Morgen im Sattel. Er fühlt sich dort wohl, spricht von einem „entspannten Arbeitsverhältnis“. Klar, er wünscht sich mehr Ritte, was dann auch wieder mehr Siege zur Folge habe. Wenn die Nennungen veröffentlicht werden, beginnt die Büroarbeit von Andre Best. „Ich rufe die Trainer an, für die ich oft reite. Da ich alles genau beobachte, weiß ich, welche Ritte frei sind. Ich käme nicht auf die Idee einen Trainer anzurufen, der ein Pferd genannt hat, das mit einem Kollegen schon mehrfach gewonnen hat.“ Nahezu jeden Samstag geht es zwangsläufig gen Osten. „Für einen Ritt fahre ich nicht hin, bei zwei Angeboten überlege ich und schaue mir die Ritte an. Ab drei Ritte packe ich die Sachen“, erklärt Andre Best. „Wir bilden aus wirtschaftlichen Gründen immer häufiger Fahrgemeinschaften, mieten einen Kleintransporter mit acht, neun Sitzen. Treffpunkt ist das Direktorium in Köln und dann geht es ab nach Dresden, Leipzig etc.“ Bitter ist für ihn die Tatsache, dass es in der Rennsportszene tatsächlich noch Besitzer gibt, die meinen, keine Spesen zahlen zu müssen. „Ich erkläre, dass ich Rennen reite, um Geld zu verdienen. Ich betone dann nochmals, dass dies mein Beruf sei.“ Apropos Beruf. Wie lange will Andre Best noch in den Sattel steigen? „Ich bin fit, habe Spaß am Reiten und werde das hoffentlich auch noch einige Jahre so ausüben können, wie ich mir das vorstelle.“ Doch der Tag, an dem er nicht mehr die Rennseide überstreifen wird, der wird auch für den ständigen Jungbrunnen Andre Best kommen. Was dann? „Ich stehe fast jeden Morgen mit der Hoffnung auf, dass mir in der Nacht eine glorreiche Idee gekommen ist, was ich nach meinem Jockeyleben machen werde. Doch bislang ist da noch kein Groschen gefallen. Aber eins weiß ich, einen Trainer Best wird es niemals geben.“ Drastische Geldstrafen drohen ab diesem Jahr, wer mehr als fünf Mal im Rennen zur Peitsche greift. „Die Tierschützer haben eine große Lobby hinter sich, da wird noch mehr kommen. Dem müssen wir uns beugen, doch die festgelegten Geldstrafen in dieser Höhe empfinde ich als deutlich zu überzogen, das ist eine zu hohe Hausnummer für uns“, meint Andre Best, der darauf hinweist, dass man im Falle eines Sieges am Ende noch Geld drauflegen muss, wenn man die Regel nicht eingehalten hat. Er ist sicher, dass es im Finish ein Umdenken in den Köpfen der Reiter geben wird. Was natürlich auch beabsichtigt ist. Apropos Finish: Wen hat er früher eigentlich am meisten im Endkampf gefürchtet: „Der Andrzej Tylicki war einer, der sich förmlich festbiss. Da musstest du noch einen Meter vor der Linie aufpassen, sonst hat der dich im Ziel doch noch geschnappt. Beeindruckt hat mich stets auch Georg Bocskai. Der konnte so schnell den Stock wechseln, so schnell konntest du gar nicht gucken.“ Und von seinen heutigen Kollegen: „Naja, wenn Andrasch Starke oder Eddy Pedroza neben mir erscheinen hoffe ich schon, dass mein Pferd ein Pfündchen besser ist, als ihre Pferde. Die stehen doch nicht umsonst Saison für Saison da oben, haben zahlreiche Championate. Das muss man doch ehrlich so sehen.“ Andre Best wird auch in den letzten Jahren seiner Jockeylaufbahn für die „Großen und Kleinen“ in den Sattel steigen, „immer Gas geben“. Zwei Träume hatte er, als er damals bei Bruno Schütz die Lehre begann. „Einen Derby-Sieg und 1000 Rennen zu gewinnen. Einer ist aufgegangen. Am Derby-Sieg arbeite ich noch dran“, und dann kommt wieder sein junges, herzerfrischendes Lächeln.