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Wo Sir Alex gewinnt und ein 'Wendler' singt'

Im vergangenen Jahr hatte ich es nicht geschafft, die damals wiedereröffnete Rennbahn in Ostende zu besuchen, auf meiner To Do-Liste für 2013 stand dieser Termin aber ganz weit oben. Der Montag vor einer Woche bot sich an, in der Redaktion war ich abkömmlich, es war die Saisoneröffnung, gleichzeitig ein PMU-Renntag, und deutsche Pferde waren auch reichlich am Start.

Mit dem Zug hatte ich von Köln aus mein Ziel in weniger als vier Stunden erreicht (einmal umsteigen in Brüssel), Hin- und Rückfahrt kosteten etwas über 100.- Euro. Da ich bereits mittags ankam, und die Rennen erst um 16 Uhr beginnen sollten, hatte ich noch ausreichend Zeit für Sightseeing.

Erstmal machte ich mein Hotel ausfindig, das ich geschickt ausgewählt hatte, denn es lag nur wenige hundert Meter von der Rennbahn, und damit auch gleichzeitig vom Meer entfernt. Man kann nicht behaupten, dass Ostende (70.000 Einwohner) ein besonders schönes Städtchen wäre, aber am Hafen und natürlich am Strand kann man es gut aushalten, Restaurants, hauptsächlich Fischlokale, gibt es reichlich, und die Einkaufsstraße hat absolut den normalen Standard einer vergleichbaren deutschen Stadt. Natürlich knurrte nach der Zugfahrt mein Magen, und so stand erst einmal Mittagessen auf dem Programm, die belgische Küche genießt ja auch einen guten Ruf.

Ein Menü für 32.- Euro sollte es sein, als Vorspeise gab es dabei Scampi-Kroketten. Mir war nicht ganz klar, was mich dabei erwartete, doch ich war total begeistert. Absolut lecker, und auch der Hauptgang (Entrecote) war auch vom Feinsten. Doch ich berichte ja nicht für „Essen und Trinken“, sondern für eine Rennsport-Zeitung. Also ging es ab zum „Hippodrom Wellington“, das nach einer vierjährigen Pause und einer damit verbundenen Renovierung im Juni 2012 seine Tore wieder geöffnet hatte.

Schon von weitem kann man die Rennbahn, deren Tribüne nur wenige hundert Meter entfernt das Meer im Rücken hat, sehen. Als ich näher kam, sah ich etwas, was man auf deutschen Rennbahnen (leider) nur selten sieht. Eine Schlange vor dem Kassenhäuschen, die mehrere hundert Meter lang war. Grund dafür war, allerdings, dass nur eine Kasse geöffnet war, doch handelte man hier schnell, es wurden noch zwei weitere geöffnet, so dass der Zuschauerfluss gebändigt wurde. Der „normale“ Eintritt kostet fünf Euro, man kann die Karten, die übrigens wie im Fussballstadion oder bei Konzerten einen Strichcode haben, auch im Internet bestellen.

Für 45.-, 70,. Oder 125.- Euro gibt es spezielle Vip-Tickets, bei deren Erwerb man im Mas Tu Vu-VIP Club unter dem Dach der großen Tribüne, oder im Martini Jockey Club bis zum Abwinken bewirtet wird. 6.000 Zuschauer wurden am ersten Tag gezählt, obwohl das Wetter nicht einmal optimal, sondern es doch recht bewölkt war. „Normalerweise haben wir noch mehr Zuschauer, aber es ist auch noch keine Ferienzeit“, erklärt Guy Heymans, Verantwortlicher der Rennbahn für den Bereich Galopp.

Die Veranstaltung bestand aus insgesamt zehn Rennen, von denen die ersten vier den Trabern vorbehalten waren und die sechs Galopprennen im Programm der PMU Aufnahme fanden.

Der Renntag stand ganz im Zeichen der belgischen Traber-Legende Jos Verbeeck. Der 56-jährige, viermaliger Siegfahrer im Prix d’Amerique, bekam an diesem Tag auf der Showbühne den „Lifetime Achievement Award“ verliehen, bei der Laudatio wurde „Mr. Diablo“ als größter Fahrer aller Zeiten (ich dachte immer das wäre Heinz Wewering) bezeichnet.

Nachdem er drei der vier Trabrennen gewonnen hatte (beim ersten Mal war ich sogar am Toto dabei), bekam Verbeeck die Trophäe aus den Händen des ehemaligen Weltklasse-Torwarts Jean-Marie Pfaff überreicht, der einer von zahlreichen belgischen „Sport-Titanen“ war, die man zu dieser Ehrung eingeladen hatte. Moderiert wurde die ganze Veranstaltung von der „Allzweckwaffe“ des belgischen Pferderennsports, Jaak Pijpen.

Der 60-jährige gelernte Jurist, ist im Nachbarland nicht nur als Journalist, sondern auch als Politiker und Schauspieler bekannt. Ich erinnere mich noch daran, wie ich im belgischen Videotext bereits vor 25 Jahren seine Tipps für Rennen in Boitsfort und Groenendaal (Bahnen, die heute in Belgien nicht mehr betrieben werden) las.

Nach den Trabern waren endlich die Galopper an der Reihe. Der Renntag hatte für mich mit einem Minus von zwei Euro begonnen, denn den Erwerb der Fachzeitung „Eurotierce“ hätte ich mir sparen können, exakt deren Tipps und Kommentare konnte man auch auf dem umsonst erhältlichen Blatt mit dem Rennprogramm finden. Das galt es nun aufzuholen. Die Rennbahn selbst ist etwa 1500 Meter lang, es gibt dazu noch eine gut 1000 Meter lange Zielgerade, auf der beispielsweise der 1800-Meter-Start erfolgt.

In der Mitte der Bahn befindet sich ein 4 Loch-Golfplatz. Das Geläuf war sehr hart, durch den Wind am Meer trocknet der Boden natürlich schnell ab. Kurios, die Gastboxen für die Pferde befinden sich unterirdisch, direkt unter der Rennbahn. Von dort aus gelangen sie durch einen Tunnel zum Führring, von dem es dann weiter auf die Bahn geht. „Im letzten Jahr ging das hier alles noch, aber durch die Traber war diesmal reichlich Hektik unten“, so Führerin Natascha Grewe aus dem Stall von Sascha Smrczek.

Nachdem ich die Pferde im Führring begutachtet hatte, ging ich dann an den Wettschalter, um meine Wette abzugeben. Das ist gar nicht so einfach, denn das Toto-Personal – man muss die Wetten wie in Frankreich ansagen – war teilweise sehr schlecht geschult. In den Toto zu wetten ist in Ostende für den Wetter aber besser als in Mons, denn während dort der Umsatz nahezu lächerlich ist, sorgen in Ostende die vielen Besucher für einen einigermaßen fairen und widerstandsfähigen Toto.

Der Umsatz pro Rennen dürfte auf der Bahn bei um die 5.000 Euro liegen, was zwar auch nicht viel ist, aber immerhin noch akzeptabel. Und die Quoten sind immer noch deutlich besser als jene, die die zehn auf der Bahn befindlichen Buchmacher anbieten, die in bester englischer Manier in der riesengroßen Wetthalle nebeneinander stehen. Was die da mit Kreide auf ihre großen Tafeln malen, ist allerdings extrem lächerlich.

Im ersten Rennen beispielsweise, gab es für keinen der 14(!) Starter einen dreistelligen Kurs. Zudem müssen sie alle in der Schule sehr schlecht gewesen sein, denn – und was jetzt kommt, ist kein Scherz – nachdem der erste seine Kurse auf der Tafel angebracht hat, schreiben alle, aber wirklich alle, diese ab, so dass am Ende alle Buchmacher die gleichen Kurse anboten. Der Höhepunkt war im letzten Rennen fällig, als sie auf den Röttgener Angreifer am Ende gar nichts mehr annahmen.

Der sportliche Wert der Rennen ist in etwa vergleichbar mit jenen in Mons, allerdings kommen auch Pferde aus England angereist, denn über das Meer ist es bis zur Insel deutlich näher als von Mons aus. So war auch der englische Trainer George Baker mit zwei Pferden vertreten. Sie bestritten ein 3200 Meter-Handicap, und eines von ihnen, If I Had Him, trug sogar die prominenten Farben von Ex-ManU-Manager Sir Alex Ferguson.

Koen Clijmans ritt ihn zum Sieg über den von Filip Minarik gesteuerten Ex-Smrczek-Vertreter Agosto. Der in diesem Rennen unplatzierte Spark wurde nach längeren Verkaufsverhandlungen zwischen Christian von der Recke und belgischen Besitzern an letztere verkauft, eine Rennbahn ist bekanntlich immer auch eine Art Pferde-Börse.

Von der Recke stellte mit BMK Racings Dreamspeed (Alexander Pietsch) auch den Sieger im höchstdotierten Rennen der Saisoneröffnung, einem mit 8.000 Euro dotierten Altersgewichtsrennen über 2400 Meter. Er sollte am 22. Juli im Prix Prince Rose, dem mit 16.000 Euro dotierten Saisonhöhepunkt von Ostende laufen. „Leider haben die aber die Ausschreibung verändert, so dass er in dem Rennen nicht startberechtigt ist“, erklärt von der Recke.

In Deutschland tätige Jockeys wie Filip Minarik, Daniele Porcu, Alexander Pietsch, Jozef Bojko (die letzten beiden waren zum ersten Mal in Ostende im Einsatz), Maxim Pecheur oder Rebecca Danz wird man sicher noch öfter in Ostende im Einsatz sehen, vom Veranstalter bekommen sie einen kleinen Zuschuss zu den Spesen. Längst werden die hiesigen Sattelkünstler auch von belgischen Trainern regelmäßig verpflichtet, denn die Spitze der belgischen Reiter ist sehr dünn.

Nach dem letzten Rennen, das der bereits erwähnte Angreifer (Daniele Porcu) für Trainer Markus Klug gewann, begann sofort das musikalische Programm, das nach jedem Renntag angeboten wird. Nach den Rennen wird Party gemacht. Der Schlagerbarde Jo Vally, eine Art „belgischer Wendler“ machte Stimmung, und trotz des einsetzenden Regens blieben mehrere hundert Menschen auf der Bahn, das fand ich schon bemerkenswert.

Selbst als ich Stunden später aus dem Casino kam, in das ich mich dummerweise noch begab, hörte ich noch die Musik von der Rennbahn. Und auch wenn mein Portemonnaie zu diesem Zeitpunkt etwas leerer war als zuvor, so hatte sich die Reise nach Ostende dennoch für mich gelohnt.

(16.07.2013)